Der Köhler und der Teufel
Vor vielen Jahren lebte am Fuß des Kollmitzberges ein armer Köhler; er wohnte mit seinem Weibe allein in einer armseligen Hütte, ohne jegliche Nachbarschaft, denn damals war es der Gegend noch sehr wild und einsam.
Leonhard, so hieß der Kohlenbrenner, war ein arbeitsamer Mann, der aber die Untugend besaß, so oft er durch den Verkauf von Kohlen einiges Geld verdient hatte, mit diesen oft recht sauer verdienten Groschen in der nächsten Schänke im Kegel- oder Würfelspiel sein Glück zu versuchen. Aber Leonhard hatte selten Glück. Wenn er dann oftmals ohne einen Heller im Sacke, längs der Thaya am Heimwege sich befand, kam ihm der Weg doppelt so lang vor und er grübelte und sann, wie er seiner Armut ein Ende machen könnte. Traurigen Blicks empfing ihn dann sein Weib Gertrude, denn anstatt die notwendigsten Lebensbedürfnisse eingekauft zu haben, kehrte er mit leeren Händen nach Hause zurück.
Einst stand der Köhler unmutig und betrübt vor seinem dampfenden Meiler und bemerkte gar nicht, dass sich ihm ein hochgewachsener, wie ein Junker gekleideter Mann näherte, den er erst gewahrte, als der Fremde dicht vor ihm stand. Leonhard fuhr ein wenig zusammen, als er in das unheimliche, starkknochige Gesicht des Fremden blickte; auch der große graue Schlapphut mit der roten Hahnenfeder erweckte in dem Köhler allerlei Vermutungen. Diese wurden noch dadurch verstärkt, als der Fremde seinen grauen Mantel auseinanderschlug und ein faltiges Wams und enge Beinkleider von roter Farbe sichtbar wurden. Mit einer tiefen Bassstimme, die an ein fern dahin ziehendes Donnern gemahnte, fragte der Fremde den Leonhard, ob er der Köhler wäre, der so großen Gefallen am Kegel- und Würfelspiel hätte. Schon wollte Leonhard verneinen, doch da erwachte in ihm der Spielteufel und er bejahte die Frage. Der Graumantel lächelte listig, zog einen Beutel Goldstücke aus dem Wams, hielt ihn dem Köhler vor die Augen und forderte ihn auf, mit ihm zu würfeln. Verlegen bekannte sich Leonhard zu seiner Armut, doch der Fremde fiel ihm ins Wort und sprach: „Ei was! Es gilt, ich setze mein gelbes Gold gegen deine schwarzen Kohlen!“ Da schlug der Kohlenbrenner ein, führte den Besucher in die Hütte, langte den Würfelbecher vom Wandsims herab und alsbald rasselten die Würfel auf der eichenen Tischplatte. Leonhard kam der erste Wurf zu. Mit zitternder Hand entleerte er den Becher; Jeder der Würfel zeigte fünf Augen, zusammen also zehn. „Zehn“ hallte es derart dumpf von den Lippen des Roten, dass es dem Köhler schier unheimlich wurde.
Nun griff der andere zum Becher. Die Würfel knisterten, als er sie schüttelte und auf den Tisch rollen ließ; fünf Augen zeigte der eine, vier der andere Würfel. „Neun“ rief der Köhler und tat einen Jubelschrei. Schweigend gab der Fremde dem glücklichen Gewinner den Beutel mit Gold, den dieser mit Freuden in Empfang nahm.
Unterdessen war Gertrude, die im Wald Holz geschlichtet hatte, in die Hütte getreten. Sie erschrak, als sie des Roten im grauen Mantel ansichtig wurde, doch jener zog den Köhler beiseite und, indem er ihm einen zweiten Beutel mit Gold vorhielt, forderte er ihn nunmehr zum Kegelspiel auf. Da erhob die Frau schüchtern ihre Stimme und riet ihrem Manne ab, das Spiel zu unternehmen; zu Hause mangle es an Kegeln und Kugel, und wenn er etwa in ein Schankhaus zu gehen beabsichtige, so möge er bedenken, dass der brennende Meiler jeden Augenblick seine Anwesenheit erfordere. Daraufhin lächelte der Graumantel abermals, klimperte mit dem Gold im Beutel und meinte, es sei gar nicht nötig, in das eine Stunde entfernte Schankhaus zu gehen; am Berge oben im Walde wisse er einen Platz, der zur Not genüge, um den Meisterschub zu versuchen. Neun grob zubehauene Hölzer könne man leicht mitnehmen und für die Kugel wisse er Rat. Während Meister Leonhard unter seinen Holzvorräten geeignete Stücke heraussuchte und sich damit belud, eilte der Fremde zum Flusse und langte, wie von ungefähr, ein fast kugelrundes Geröllstück aus dem Wasser, wobei dieses zischte und schäumte.
Als nun der Köhler und sein Spielgefährte den Berg hinanschritten, ergriff Gertrude eine große Beklommenheit. Der Fremde kam ihr nicht recht geheuer vor, sie hatte das Zischen und Brausen des Wassers vernommen, auch glaubte sie bemerkt zu haben, dass der Graumantel etwas hinke. Rasch sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel für das bedrohte Seelenheil ihres Mannes, dann eilte sie den Berg hinan, den beiden nach. Vorsichtig folgte sie der Spur der Männer. Vom Stamme einer alten Eiche gedeckt, erblickte sie jetzt ihren Mann, wie er sich eben zum Schube anstellte und der Rote sagte: „Es gilt also, diesen Beutel Gold gegen deinen Kohlenhaufen?!“ Der Köhler nickte zustimmend.
Gertrude war keines Wortes mächtig; sie bemerkte das höhnische Lächeln des Roten – aber wie von einer geheimnisvollen Macht gebannt, war sie unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Sie zitterte am ganzen Körper, als nun Leonhard den Schub tat. Ein Sturm hatte sich plötzlich erhoben, die Äste ächzten und bogen sich, während die Kugel unter seltsamen Sprüngen und Gepolter in die aufgestellten Holzstücke fuhr. Wie fernes Donnergeräusch klang es, als die Hölzer durcheinander kollerten und sämtliche am Boden lagen. Da jauchzte der Köhler und machte einen Freudensprung. „Alle Neun!“ rief er und eilte hinweg, um die Kegel wieder aufzustellen, während sich der Rote die Kugel zurückholte.
Eine unsagbare Angst erfasste Gertrude, als sie nun sah, wie derselbe zum Schube ausholte. Es schien ihr, als ob feurige Funken von der Kugel sprühten. Es flimmerte ihr vor den Augen, der Sturm heulte und warf ihr Blätter und Rindenstücke ins Gesicht. Nun blendete sie ein helles Licht, immer stärker tobte es in ihren Adern, das Blut drängte zum Kopfe – ein Donnerschlag erschütterte die Luft, dann noch einer und wieder einer und so fort – bis es in unheimlichem Sturmgebrause durch den Wald hallte: „Alle Zehn!“ „Alle Zehn!“ – da schwanden ihr die Sinne, Gertrude sank bewustlos zu Boden.
Als des Köhlers Weib wieder zu sich kam, da war das schreckliche Ungewitter wieder vorüber, der bleiche Mond stand am Himmel und warf hellen Schein durch das Laubdach. Stille war es aber ringsum.
Langsam näherte sich nun das Weib dem verhängnisvollen Kegelplatze. Voll flutete das Mondlicht auf jene Stelle, wo der tote Körper des Köhlers inmitten der durcheinander gestreuten neun Kegelhölzer lag. Von der Kugel aber war keine Spur zu sehen.
Mit einem Jammergeschrei warf sich Gertrude auf die Leiche ihres Mannes. Dann hob sie ihn mit übermenschlichen Kräften auf ihre Schultern und schleppte ihn so den Berg hinab, ihrer stillen Behausung zu.
Aber von der Köhlerhütte war nichts zu sehen, als rauchende Trümmer, der Kohlenhaufen war gänzlich verschwunden – der Teufel – denn das war der fremde rote Mann im grauen Mantel – hatte sich seinen Einsatz, den Kohlenhaufen samt der spiellustigen Seele des Köhlers mitgenommen.