Das grausame Ritterfräulein und die Zwerge
Vor uralten Zeiten hauste auf der Burg Kollmitz ein reicher und mächtiger Ritter von überaus edler Gesinnung. Allen seinen Untertanen war er ein milder und gütiger Herr und tat ihnen Gutes, wo er nur konnte. Er hatte eine Tochter, die über alle Maßen schön und lieblich, aber im Gegensatz zu ihm äußerst rohen und grausamen Gemütes war.
Zur selben Zeit lebte im Inneren des Berges, auf welchem sich die Burg erhob und in den Höhlen und Schluchten der umliegenden Wälder ein Völklein niedlicher Zwerge, denen gegenüber sie ihrem Trieb zur Grausamkeit mit besonderer Vorliebe freien Lauf ließ. Es bereitete ihrem bösen Herzen größtes Vergnügen, geradezu teuflische Freude, die armen Zwerglein, die sie erwischte, aufzuspießen und in Todesqualen an dem Spieße zappeln zu sehen. An einem herrlichen Sommertage ging sie in den Wald, um im erquickenden Schatten desselben zu lustwandeln. Da erblickte sie schon von weitem eines der Wichtlein, welches gerade Holz sammelte, und unbemerkt schlich sie sich an dasselbe heran und trieb ihm ihren Spieß durch den Leib, dass sein lauter Aufschrei fürchterlichen widerhallte. Da kamen die Zwerglein aus allen Schluchten und Höhlen herbei geeilt und ihre Zahl wurde immer größer und größer, so dass dem Burgfräulein angst und bang wurde und es seinen Spieß eilig aus dem Körper des wimmernden Zwergleins zog, um sich auf und davon zu machen. Die Zwerge aber umringten sie und ließen sie nicht mehr frei, so sehr sie auch weinen und bitten mochte, sondern trugen sie in ihre entfernteste Höhle, die weit, weit hinter den Bergen lag. Hier musste sie den Zwergen waschen, kochen und alle häuslichen Arbeiten verrichten und durfte an keine Flucht denken, denn die Zwerge hatten ihr gedroht, sie mit qualvollem Tode zu bestrafen, wenn sie versuchen sollte, aus der Höhle zu entfliehen.
Während dessen entsandte der Ritter seine Knechte nach allen Richtungen aus und ließ sie suchen, aber alle Mühe, sie irgendwo zu finden oder auch nur eine Spur von ihr zu entdecken, war vergebens. Darob verfiel der Ritter in Trübsinn und stürzte sich von einem Turme seiner Burg herab in die Tiefe. Da an der Stelle, wo sein Körper auffiel, sich sumpfiger Boden befand, versank er vollständig und über ihm schloss sich der Sumpf und Ritter und Tochter wurden nicht mehr gesehen.